Leonhard Arnold

Leonhard Arnold: Chemiker, Museumsleiter, Schenker & vielseitig interessiert.

 

 

Auch die Mitarbeiter und Direktoren des Museums haben neben den zahlreichen Bürgern mit ihren Schenkungen zur Vielfältigkeit der Sammlungen auf der Neuenburg beigetragen, so auch der zweite Museumsleiter Dr. Leonhard Arnold.

Eine rege Schenkungstätigkeit ist bereits seit der Idee und Gründung des ersten Museums im Schloss Neuenburg zu beobachten. Im Frühjahr 1934 schloss die Stadt Freyburg mit der preußischen Regierung, der damaligen Eigentümerin der Neuenburg, einen Pachtvertrag mit einer Laufzeit von zehn Jahren ab. Unter anderem konnten so einige Räume im Kernburgbereich angemietet werden, in denen erstmals ein Heimatmuseum für Freyburg eingerichtet werden sollte, das bereits 1935 eröffnet werden konnte. Im Vorfeld waren der Stadt von ihren Bürgern immer wieder Sachzeugnisse der Stadtgeschichte verschiedenster Art übergeben worden. Die bereits 1934 erfolgte großzügige Schenkung der mehr als 800 Inventarnummern umfassende Schulenburgischen Sammlung an ur- und frühgeschichtlichen Objekten bildete neben geologischen Funden aus Freyburg, der Südseesammlung des ersten Museumsleiters Otto Krauschwitz (1886–1938) sowie vielen anderen durch die Bürger geschenkten Sachzeugnissen der Alltagskultur den hauptsächlichen Schwerpunkt des ersten Neuenburgmuseums. Dessen Betrieb wurde durch den ehemaligen Marineoffizier Otto Krauschwitz als ehrenamtlichen Museumsleiter, einer Kastellanin, die hauptsächlich für Schlossführungen zuständig war, sowie einen Hausmeister gewährleistet.

 

Als Otto Krauschwitz am 24. August 1938 nach schwerer Krankheit verstarb, benötigte die Stadtverwaltung Freyburg bis Anfang September nur wenige Tage, um einen geeigneten Nachfolger zu benennen. Es handelte sich dabei um Dr. Leonhard (Leo) Arnold (1879-1966). Der in Würzburg gebürtige Arnold studierte Chemie von 1900 bis 1902 zunächst in seiner Heimatstadt Würzburg und wechselte dann nach Erlangen, wo er 1904 auch promoviert wurde. Als er sich im kleinen, beschaulichen Freyburg niedergelassen hat, widmete er sich auch anderen Themen, wie der Geschichte der Region. Kurz nach seiner Ernennung als ehrenamtlicher Museumsleiter wurde er im November 1938 auch noch zum staatlichen Archivpfleger des Amtsgerichtsbezirkes Freyburg berufen – ebenfalls ehrenamtlich.

Hätte er wohl die Stelle des Museumsleiters angenommen, wenn er geahnt hätte, welch schwierige Zeiten dem Museum bevorstanden? Denn im Folgejahr brach der Zweite Weltkrieg aus. Als im April 1940, anlässlich des 51. Geburtstages Adolf Hitlers, die deutsche Bevölkerung zur sogenannten „Metallspende“ aufgerufen wurde, durchforsteten auch die Freyburger ihre Häuser nach geeignetem Spendenmaterial. Dr. Arnold muss gewusst haben, dass noch so mancher Schatz in den Wohnungen seiner Mitbürger schlummerte, denn im Freyburger Boten vom 12.April 1940 appellierte er an die Bevölkerung, mögliche, bei der Suche nach Metall auftauchende alte Schriften und Gegenstände dem Heimatmuseum zu überlassen. Damit den Bürgern der Weg den Schlossberg hinauf erspart blieb, konnten die Sachen auch direkt bei Arnold privat abgegeben werden. Trotz des tobenden Weltenbrandes lief der Museumsbetrieb scheinbar zunächst unverändert weiter -zumindest ist nichts gegenteiliges in den spärlichen Überlieferungen dieser Zeit bekannt - auch wenn sich Arnold mit Einbrüchen und fehlenden Besuchertoiletten herumschlagen musste.

Erst 1944 waren die Kriegsauswirkungen auch endgültig in Freyburg zu spüren. Seit diesem Jahr wurden im Museumsbereich nicht nur Flüchtlinge und Vertriebene untergebracht sondern auch seit August des Jahres museales Gut aus anderen Einrichtungen ausgelagert. Mit dem Einzug amerikanischer Soldaten am 12. April 1945 endete für Freyburg der Krieg. Für das Museum und seine Sammlung bedeutete dies jedoch den Untergang, denn Zwangsarbeiter, Einwohner und auch Soldaten plünderten oder zerstörten die Bestände. Ein Großteil der Objekte wurde in den Burggraben oder eine Müllgrube „entsorgt“ oder gar verbrannt, so dass das Meiste unrettbar verloren ging. Dies betraf nicht nur die Eigenbestände der Neuenburg sondern auch das zuvor dahin ausgelagerte Kulturgut. Leo Arnold hatte zunächst keine Möglichkeit, die Musealien durch Auslagerung zu schützen. Wertvolle Zeit verstrich, bis es ihm gelang, noch Vorhandenes in einem Teil der Sektkellerei unterzubringen. Doch das Museum im Schloss Neuenburg existierte nicht mehr. Erst ab Juni 1952 wurde der Betrieb wieder aufgenommen. Leonhard Arnold war da schon längst kein Museumsleiter mehr. Sicher hat ihn die Zerstörungswut in den Wirren des Kriegsendes schockiert und enttäuscht, hatte er doch das Museum selbst durch zahlreiche Schenkungen aus seinem privaten Besitz bereichert. Aber offenbar begrüßte er die Neueinrichtung des Museumsbetriebes, denn er unterstützte den Wiederaufbau der Sammlung auch in den 1950er Jahren aus seinem privaten Eigentum. Dabei war er scheinbar vielseitig interessiert, was sich an den unterschiedlichsten Objekten feststellen lässt. So stammt nicht nur der Propeller eines abgewrackten Militärflugzeuges aus der Zeit des ersten Weltkrieges aus seinem Besitz, sondern auch diese prachtvoll verzierte Trachtenhaube. Trachtenmode ist ein sehr vielschichtiger Themenkomplex, wodurch wir heute über die fragmentarisch erhaltene Haube leider nur sehr wenig konkretes wissen.

Der Begriff Tracht stammt von dem althochdeutschen „draht“ oder dem mittelniederdeutschen „dracht“, was beides so viel bedeutet wie „das, was getragen wird“ oder „die Art, wie es getragen wird“. Heute steht er im engeren Sinne für die regionaltypische, historische oder traditionelle Bekleidung in vor allem ländlichen Gebieten, die sowohl von Frauen als auch von Männern getragen wurde oder wird. Dabei wurde die Beschaffenheit der jeweiligen Tracht auch immer von der Mode der Zeit, dem vorhandenen Material, von Kleiderordnungen sowie von Handel, Verkehr und Zuwanderung beeinflusst, so dass uns heute aus vielen Regionen ganz unterschiedliche Trachtentypen überliefert sind. Dies macht häufig eine Einordnung einzelner Trachtenbestandteile, wie der Haube aus dem Bestand des Museums Schloss Neuenburg, sehr schwierig. Höchstwahrscheinlich gehörten noch zahlreiche Bänder und Bortenbesatz zu dieser Haube, die aufgrund ihrer runden Form sonst nur sehr schwer zu tragen wäre. Sie besteht auf der Innenseite aus schlichtem Leinen, wurde aber äußerlich mit goldfarbenen Messingdrähten besetzt, die zu kunstvollen Herzen und verschlungenen Ornamenten verwoben sind und stammt höchstwahrscheinlich aus dem mittleren Niedersachsen des 19. Jahrhunderts. Ihre prachtvolle Aufmachung lässt vermuten, dass sie zusammen mit den ursprünglich dazugehörigen Kleidungsstücken zu einer Festtags- oder gar Brauttracht gehörte und das Haupt ihrer Trägerin zu so mancher Festlichkeit geschmückt haben dürfte. Wie die Haube in Dr. Leonhard Arnolds Besitz gelangte, ist nicht überliefert. Wurde sie ihm geschenkt? Hat er sie auf einer Reise erworben? Neben vielen anderen Objekten, die im Bestand der Neuenburg dank seines Schenkungswillens überdauert haben, zählt die Haube auf alle Fälle zu den Dingen, die er persönlich als erhaltens- und sammlungswürdig erachtete. Dabei behielt er dieses kunstvolle Textil jedoch nicht für sich allein, sondern sorgte mit seiner Schenkung an das Museum dafür, dass es bis heute viele interessierte Besucher bestaunen und bewundern können.