Durch das Jahr

Die Zwölf-Monats-Kanne von Villeroy & Boch

In der Sammlung der Neuenburg findet sich diese außergewöhnliche Kanne, die uns durch das Jahr begleitet und doch ein Massenprodukt ist.

Dieses Schankgefäß ist aus Steinzeug und mehrfarbig bemalt, engobiert und glasiert. Sein Dekor versammelt mehrere Stile – von Spätgotik, Manierismus und Jugendstil. Dies verwundert kaum, denn die Kanne stammt aus dem Jahr 1899. In dieser Zeit dienten historische Stile als Vorbilder für Neuschöpfungen, die sich aus verschiedenen Stilen gemeinsam speisen konnten. Allgemein weist diese Kanne eine gotisierende Formen- und Dekorsprache auf, doch der reliefierte blaue Fries mit zwölf Ständefiguren, welche die Monate personifizieren, erinnert sehr an die klassizistischen Werke der englischen Manufaktur Wedgewood.

Der untere Bereich ist wie ein Sockel mit sechs jahreszeitlichen Motiven versehen. Hierbei kommen jeweils typische Pflanzen, Blattwerk, Früchte, Geräte des Gartenbaus und Insekten zum Einsatz. Darüber ist der umlaufende Figurenfries auf blauem Grund angebracht. Zwölf Figuren in der Kleidung des Spätmittelalters und der Renaissance symbolisieren die Monate.

Beispielsweise steht der hüpfende Narr mit Narrenkappe und Schellen am Rocksaum für den Februar – jenen Monat, der von Fasnacht, Karneval oder Fasching geprägt ist. Für die Aussaat und das Bestellen der Felder im April steht der Sämann. Ein fröhliches, beschwingtes Liebespaar symbolisiert den Wonnemonat Mai. Während im Juli der von Bienen begleitete Imker sich mit einem großen Strohhut vor der sommerlichen Hitze schützt, wird im August durch eine weibliche Gestalt die Getreideernte heimgebracht. Durch den Oktober wiederum führt ein Satyr, einer der antiken Begleiter des Weingottes Dionysos, der mit seiner Rechten die Trauben auspresst und so auf die Weinlese im Herbst verweist. Traditionell wird im November gejagt und deshalb findet sich in unserem Monatszyklus hier ein Jäger, der seine Armbrust über der Schulter trägt und von seinem treuen Jagdhund bei dem Erlegen der Wildtiere unterstützt wird. Die letzte Figur, ein bärtiger mit einem dicken Mantel und Kapuze bekleideter Mann, verweist auf den Winter und das Jahresende. In seiner Kiepe auf dem Rücken hat er einiges an Brennholz gesammelt, um sich so für die kalten Tage zu rüsten.
Über allen Figuren ist übrigens eine dazu passende Aufschrift angebracht. So heißt es beim Oktober: "wein u. obst was gott beschert ist nutzbringend und dankes werth." Diese Sprüche sind eine Mischung aus Bauernregeln, Trinksprüchen, Dankesformeln und frommen Wünschen.

Diese Kanne fand 2014 den Weg in die Sammlung des Weinmuseums als Schenkung von Dieter Hanisch, Freyburg (Unstrut). Das gut 37 cm hohe Schankgefäß stammt aus der Manufaktur Villeroy & Boch in Mettlach aus dem Jahr 1899, wie die Marken am Boden bezeugen. Damals konnte das Unternehmen bereits auf eine 150-jährige Tradition zurückblicken. Doch erst 1836 schlossen sich die Manufakturen von Jean-François Boch und Nicolas Villeroy zusammen. Mit ihren Erzeugnissen aus einem hellen, hart gebrannten Steinzeug stiegen sie zu einem Marktführer auf und produzierten neben Bau- und Sanitärkeramik auch Gegenstände der Tafelkultur. Besonders in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts und dem beginnenden 20. Jahrhundert erfreuten sich ihre historistischen Schöpfungen großer Beliebtheit, besonders im Rahmen der bürgerlichen Wohnkultur. Hiervon legt auch diese seit ca. 1870 produzierte Kanne, die in verschiedenen Variationen hergestellt wurde, beredtes Zeugnis ab.